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Julius Hinrichsen

Meine Dienstzeit bei der 8./schweren Kompanie des 2. SS-Panzerregimentes „Das Reich“

Am 8. Oktober 1942 kam ich vom Genesungsurlaub zurück nach Weimar-Buchenwald zur Panzerersatzabteilung. Ich war vorher bei der Sturmgeschützbatterie der SS-Totenkopf –Division
15 Monate in Kessel von Djemjanks gewesen. Dort wurde ich das 3.Mal verwundet. Als Ausbilder in Buchenwald kam ich mit 15 Rekruten zur Aufstellung einer Tigerkompanie am 8. Dezember nach Fallingbostel. Wir waren wohl mit die Ersten, die dort ankamen. Dort wurden zur Zeit 4 Tiger- kompanien aufgestellt. Nach und nach trafen dann 10 Tiger und 10 Panzer III ein. Einteilung der Besatzungen und flotte Ausbildung. Am 24.Januar 1943 ging es in 3 Transporten an die Ostfront,
Ziel unbekannt. Unterwegs trafen wir jede Menge anderer Transporte. War eine sehr kalte Fahrt. Am 1. Februar haben wir in Charkow ausgeladen. Kalte Tage und wenig zu Essen. Da die Front im Zurückgehen war und wir mit den Panzern wegen Glätte nicht fahren konnten, wurden wir am 9. Februar wieder verladen mit 7 Tigern. 3 Tiger und die 10 Panzer III blieben dort und kamen zum Einsatz. Über deren Einsatz weiß ich nicht viel. Mein Panzer hatte die Nr. 802/S02. Wir waren Kompanietrupp- u.Chefpanzer. Daher mein Wissen und Hören. Am 11. Febr. in Poltawa, am Flugplatz, von den 3 Tigern lief einer in Charkow auf eine Mine, konnte nicht mehr gerettet werden und fiel gleich den Russen in die Hände. Viel Aufregung. In Poltawa Eisstollen reingehauen und im Landmarsch zurück zur Front über Walki nach Charkow. Waren an der Aufgabe von Charkow mit beteiligt. Über die Brücke am Hauptbahnhof waren wir fast die Letzten. Unser 1. Chef, der Hauptsturmführer Grader, fiel Mitte Februar östlich von Charkow. Hauptsturmführer Kuhlmann übernahm die Kompanie. Es ging mit derFront zurück über Walki nach Poltawa. Die Front kam etwa bei Waiki zum Stehen. Am 17.Febr. wieder in Poltawa. Alles ging in die Werkstatt zur Überholung. Hier wurde Kuhlmann zur Leibstandarte Adolf Hitler versetzt und Hauptsturmführer Herzig übernahm die Kompanie. Die Panzer wurden feldgrau gemacht. Am 5.März zum Gegenangriff. Am 8. Walki erobert. Ich war als Richtschütze bei Herzig. Am 12. Nowabavaria erobert. Am 14. Angriff auf das Traktorenwerk bei Charkow. Dort einige T 34 erbeutet. Am 17. Fahrt und Angriff auf Belgorod. 80 km an einem Tage. Bei Dämmerung in Belgorod. Am 18. dann in Stellung am Donez. Konnte hier noch 2 T34 und einen T60 abschießen. Am 19. und 20. schwere amerikanische Bombenangriffe auf Belgorod. Wir lagen unter dem Panzer, fürchterlich. Die Geschwader kamen vom Westenu nd sind in UDSSR geblieben. 22. wieder in Unterkunft in Charkow in der Nähe von Tankstelle West. Am 29. habe ich das Panzersturmabzeichen erhalten, nachdem ich schon Fallingbostel das EK. II erhalten hatte. Am 1.April wurde ich Rottenführer. Hauptsturmführer Herzig wurde nach Berlin kommandiert. Hauptsturmführer Zimmermann übernimmt am 10.April die Kompanie. Der Spieß Hauptscharführer Haffner geht auf  die Führerschulc. Neuer Spieß wird Hauptscharführer Soretz. Am 30 April Umziehen nach Beretschnaja, 20 km westlich von Charkow. Gute Unterkunft. Am 7. Mai auf  Marsch in Bereitstellungsraum westlich Belgorod. Der Angriff am 10. Mai findet nicht statt. Soll verraten worden sein, was wir damals nicht wußten. Zurück nach Bereschnaja und Charkow zur Werkstattkompanie. Auf der Rückfahrt nahm ich unsere Wirtin mit auf den Panzer. Ein Untersturmführer der Leibstandarte Adolf Hitler zeigte uns an. Ich mußte dann zum Panzer Corps zu Oberführer Ostendorf. Kam ohne Kriegsgericht davon. Harte Ausbildung in Bereschaja. Am 5.Juli wieder auf Fahrt in Bereitstellung, 20 km von Tomarowka. Am 4. Juli abends Führertagesbefehl vom Regimentskommandeur verlesen. Wir sollen Spitzenkompanie fahren. O je. Um 23 Uhr langsam zum Aufmarschhalt vorgefahren. Ankunft 2 Uhr morgens. Nochmals aufgetankt. Um 5 Uhr beginnt die Artillerie mit immer stärker werdenen Feuerzauber. Um 3:30 Uhr schießt alles. Das Nebelwerferregiment setzt ein. So etwas hat die Welt noch nicht gesehen. Man versteht kein Wort mehr. Um 5:45 Uhr kommen die Flieger. Über 250 habe ich gezählt. Die Welt geht ja bald unter. Später wird bekannt, dass so viele Granaten und Bomben geschossen wurden, wie in Polen und Frankreich zusammen. Um 4 Uhr Angriff. Als wir auf der Höhe sind, sehen wir nur Rauch und Qualm. Und Rückwärts ein Bild, dass ich nie vergesse. So viele Panzer und Fahrzeuge habe ich noch nie für einen Angriff gesehen. Im Chefpanzer mit Hauptsturmführer Zimmermann immer vorne weg. Komme in ein feindliches Minenfeld. Funkspruch von rechts Blaumeisen( T34). Wir drehen. Ein Knall. Was ist geschehen? Fahrer und Funker verwundet. Zimmermann steigt um. Bootet aus. Ich bleibe mit dem Ladeschützen zurück am Panzer. Über 200 Panzer stehen. Angriff stockt. Russe schießt flott. Viele Luftkämpfe und Abschüsse. Am Nachmittag kommt der Angriff langsam ins Rollen. Abends schleppt man uns zurück in die Werkstatt. Getriebe total kaputt. 6 Tage Werkstattkompanie. Am 11. Juni morgens Angriff mit Zimmermann. Um 10 Uhr bekommt er einen Armdurchschuss. Er muß zurück. Neuer Chef Hauptsturmführer Lorenz übernimmt. Nach 2 Stunden in der Kuppel erhält er einen Kopfschuss tot. Der neue Chef  Obersturmführer Reininghaus übernimmt. Schwerer Abwehrkampf der Russen. Die Panzerabteilung hat bisher 20 Gefallene und 60 Verwundete. UnserAngriff kommt zwischen dem 16. und 18. Juli zum Erliegen. Unser S24 erhält einen Durchschuss mit Kuppelabschuss, die Besatzung mit Kommandant Schäfer ist tot. Sollen dann der Division Großdeutschland helfen. Wird nichts. Befahl kommt, sofort nach Belgorod zum Verladen auf die Eisenbahn. Am 25. Juli rollen wir. Charkow, Losowaja und wohin? Laden am 26. Juli in Barwenkowo aus. Der Russe ist bei der Wiking eingebrochen. Der Einbruch ist bereinigt, ehe wir ran kommen.Verladen erneut am 28.Juli. Am 29.Juli dann in Makejewka ausgeladen. Wir sind am Mius. Sofort fertig machen zum Angriff. Am 31.Juli beginnt der Angriff gegen große Übermacht. Kommen am 1. August auf die Höhe 202. Bekommen viele Treffer. T34 Treffer am Fahrersehschlitz, unser Fahrer Arzner tot. Ich denke, das er durch den Aufschlagdruck ums Leben kam. Am Panzer Abfeuerungs- und Funkschaden, Kommandant leichtverwundet. Wir müssen im schweren Abwehrfeuer der Russen ausbooten. Alles schießt auf uns. Kommen gut von der Höhe herunter und können bei der Infanterie verschnaufen. 35-40 Grad Hitze, Viel Durst. Erst nach ca. 15 Stunden können wir den Panzer und unseren Fahrer bergen. Bekommen den Panzer zum Laufen. Der Fahrer wird auf die Drehbühne gezogen. Die russische Infanterie liegt nur 300-400 Meter von uns. Panzer kann aus eigener Kraft von der Höhe runter. 3 18-tonner Zugmaschinen warten unten, werden vorgespannt und ab geht’s in die Werkstatt. Die WK lag noch in Makejewka. Wir wohnten bei einer Familie Caesar. Diese waren 1928 aus Oderberg Schlesien gekommen. Der Angriff auf den Brückenkopf war in 4 Tagen bereinigt. Alles wieder in Makejewka. Es hieß dann, wir kommen nach Österreich. Denkste, wir wurden dann am 14. August in Jassinowataija verladen. Wir rollten. Einen Tag später in Lubotin ausladen. Also wieder bei Charkow. Einzeln kamen dann die Panzer zum Einsatz. Als vorläufiger Kommandant kam ich nach 120 Km bei der Kompanie an. Auch mein Panzer musste wieder in die Werkstatt. Hauptsturmführer Tetsch führte die Kompanie. Am Mius hatte Obersturmführer Matzke die Kompanie geführt. Wir fuhren harte und schwere Angriffe östlich Lubotin und am Kolchos. Konnte viele Abschüsse erzielen. Charkow wurde erneut geräumt, planmäßig wie man sagt, aber der Druck war stärker. Obersturmführer Matzke war nun Chef der 8. Kompanie. Hauptsturmführer Tetsch also führte uns. Ich hatte schon viele Chefs gehabt aber mit ihm Angriff fahren, unmöglich. Mein Fahrer erhielt schon mal eine Ohrfeige. Erneut Motor und Getriebeschaden. Mussten erneut geschleppt werden. Der planmäßige Rückzug hatte schon eingesetzt. Viele Panzer mussten geschleppt werden. Das Panzerregiment hatte nur 18 Zugmaschinen und ein Tiger brauchte alleine schon 3 Schlepper. Mindestens 25-50 Panzer wurden nun geschleppt, Panzer III, IV und V. Die Werkstattkompanie konnte in diesem Rückzug nicht die Arbeit aufnehmen. So wurden wir ca. 50 km geschleppt und die Zugmaschinen kehrten um und holten andere. Täglich kamen Neue hinzu. So wurden dann auch Panzer gesprengt, auch Tiger. So entstand ein gewaltiges Verkehrschaos. Vor Poltawa in drei Reihen über 10 km. Fahrzeug an Fahrzeug und keine russischen Flieger kamen. Panzer kamen zuerst. War für uns nur gut so. Kamen dann an der Dnjeperbrücke bei Krementschug. Hier natürlich eine gewaltige Stauung. Wir hatten Glück und kamen nach Crukoff, anderer Stadtteil westlich von Krementschug. Da die Stadt geräumt wurde, konnten wir vieles mitnehmen. Hatten einen Ballon mit 100 l Branntwein mit, Thermosflaschen, Gummistiefel, Lichter und vieles mehr. Hatten täglich einen Rausch. So kamen wir Ende September über Snamenka nach Kirowograd.

In Kirowograd hatte die Werkstattkompanie schon den Betrieb aufgenommen. Hier sammelte die Kompanie und auch das Panzerregiment. Wir lagen mitten in der Stadt und konnten endlich mal Ordnung schaffen. Auch Kino gab´s. Nach etwa 10 Tagen war unser Panzer wieder OK. Eines Nachts blieb mir der Mund offen stehen, ich hatte von dem Einsatz bei Sturmgeschützbatterie der Totenkopfdivision einen Splitter im linken Unterkieferwinkel sitzen. Wurde dann im Lazarett in Kirowograd operiert. Kam dann über Sherminka ins Heimatlazarett nach Göttingen, wo ich
5 Monate lag. War 1 1/2 Stunden unter dem Messer. Einfach Scheußlich. Wegen Spezialbehandlung kam ich dann noch in die Universitätsklinik. 2 Nerven waren durchtrennt zum Auge und zur Unterlippe. Am 26. Januar 1944 kam dann zur Panzerersatzabteilung nach Rigastrand. Hier traf ich gleich meinen guten Chef Hauptsturmführer Herzig. Kam dann gleich bei ihm an. Wenn ich diese beiden Einsätze vergleichen soll, waren die 15 Monate bei der Sturm-geschützkompanie der Totenkopfdivision wesentlich härter und verlustreicher als die 10 Monate bei der Tigerkompanie.

Im späteren Einsatz erhielt ich dann noch das goldene Verwundetenabzeichen und wurde Unterscharführer und Oberjunker.
 

UNSER ERFOLGREICHSTER TAG
aus “Panzer im Brennpunkt der Fronten” von Will Fey

Dann graut der Morgen, um einen Tag anzukündigen, der unserem Tiger und seinen Männern höchste Bewährung und schönsten Erfolg bringen sollte: es ist der 8. August 1944.
Noch warten wir auf die Grenadiere, die heute morgen mit unseren Tigern den Angriff vortragen sollen; sein Beginn ist nach erfolgter Artillerievorbereitung festgesetzt. Nun sind die Züge und Gruppen der Grenadiere- es sind Kameraden von einer Division des Heeres - bei unserem Panzer eingetroffen; sie verteilen sich im Gelände, suchen Deckung in Gräben und hinter Büschen. Wir warten ab; aber noch kommt keine Artilleriesalve, die den Beginn der Vorbereitung anzeigt. Es vergeht Stunde um Stunde, bis es losgeht, aber dann nicht bei uns. - Einige Grenadiere links von uns geben Panzeralarm und bald können wir auch aus unserem Tiger die Lage übersehen : über eine Anhöhe herab kommen die Shermans aus einem Wäldchen hervorgerollt. Wir erkennen 10 - 12 - 15 Feindpanzer, dazwischen Spähwagen, SPW mit aufgesessener Infanterie, Karetten und MTW: der ganze Hang ist lebendig geworden! Entfernung ca. 1200 m. Noch fällt kein Schuss. Das Ganze mutet wie ein schulmäßig vorgetragener Panzerangriff an, mit allem, was dazugehört. Die Grenadiere schauen auf uns: was werden wir tun? Bei ihnen und ihrem Kompanieführer macht sich eine gewisse Nervosität bemerkbar. Ein Oberleutnant steigt zu uns auf den Panzer: wir sollen das Feuer eröffnen! Aber das muss er schon unserem Kommandanten überlassen. Der Funker muss einen Spruch an alle absetzen: »15 Panzer greifen mit Infanterie aus der linken Flanke an; wir eröffnen bei 600 m das Feuer!« Sofort kommt Funkbefehl vom Kommandeur Weiß: »Ruderboot an Ofenrohr 3 (das ist im Funkverkehr der Tarnname für unseren Tiger) - sofort absetzen!« Das hat noch gefehlt! Der Kommandant gibt dem Funker den Befehl, nicht zu quittieren und sofort den Empfänger abzuschalten; wir werden jetzt nur noch senden!
Die Panzer haben sich formiert und rollen im Breitkeil auf uns zu.Die Entfernung beträgt noch ungefähr 800 m. Längst hat der Ladeschütze Panzergranaten bereitgelegt. Der Fahrer ist informiert, daß er auf Befehl hin den Panzer sofort wenige Meter auf der linken Kette zurückrollt, während er die rechte Kette anzieht: so bringen wir in einigen Sekunden unseren Tiger mit der Stirnseite in die günstige Abwehrposition; denn auch die Kameraden von der anderen Feldpostnummer werden uns was zukommen lassen, und dafür ist unsere Breitseite, die wir jetzt zeigen, zu empfindlich!
Dann ist es soweit: 600 m. - Wir manövrieren unseren Tiger in die gewünschte Schußrichtung. Der Richtschütze hat schon seit geraumer Zeit sein erstes Opfer durch die Zielansprache erkannt! Es ist der Panzer am weitesten vorn, genau in der Mitte des Angriffspulks, wohl der Panzerführer. Das zweite und dritte Ziel ist ebenfalls festgelegt: erst der linke Nachbar, dann der rechte ! Als nächstes sind die Shermans ganz links und ganz rechts außen vorgesehen; denn die könnten uns gefährlich werden, falls sie uns umfassend in die Flanken kämen; auch ein Tiger ist ja innerhalb der 400-m-Grenze verwundbar.
Dann kommt der erlösende Befehl: »Panzergranate - 600 - Feuer frei!« Der erste Schuß geht über das Ziel; aber nur kurz lähmt uns diese Feststellung. Visier 400 - Feuer frei! - und der Schuß sitzt! Ein zweiter gleich hinterher, - Treffer! Nächstes Ziel: »Panzer links«! - Feuer! - Auch ihm werden 2 Granaten genehmigt. In kurzer Zeit stehen 4 Shermans in Flammen am Hang. Die erste Verwirrung bei den Gegnern ist gewichen: sie halten an und eröffnen das Feuer. Wir erhalten Treffer auf Treffer am Turm, am Bug, an der Walzenblende; Schrauben und Nieten wirbeln im. Kampfraum umher! Der Oberleutnant der Grenadiere, der sich bisher im Kampfraum befand, verläßt kopfüber unseren Panzer, räumt mit seinen Leuten das Gelände; denn hier wird heute kein Angriff mehr gestartet. Der Funker sendet ununterbrochen den Gefechtsverlauf; dazwischen findet er reichlich Arbeit für sein MG. Der Kommandeur funkt wieder: »Absetzen auf eigene Linien!« Wir zählen jetzt schon 6 brennende und qualmende Shermans: es muß eine heillose Verwirrung drüben herrschen! Ihre Infanteristen sind abgesessen und springen Deckung suchend umher; Fahrzeuge verkeilen sich ineinander beim Versuch zu wenden. So wird auch der 7. und 8. Panzer erledigt. Während sie beim Manövrieren ineinanderfahren, hält unsere 8,8 dazwischen und sorgt für ein schnelles Ende: dicht beieinanderstehend brennen sie nun aus.
Sind Minuten vergangen - oder Stunden? Wir wissen es nicht. Unser Ladeschütze, der bärenstarke Wolgadeutsche, sinkt in die Knie. Als zunächst am Verschluß Stehender hat er zuviel Pulvergase geschluckt und ist ohnmächtig geworden. Und immer wieder krachen Treffer an unseren Tiger. Bei uns ist durch den Ausfall des Ladeschützen eine Stockung eingetreten. Der Richtschütze betätigt das Turm-MG, während der Funker schon seinen vierten Lauf glühend geschossen hat. Nun haben sich alle Shermans auf unseren Tiger eingeschossen und wir müssen sehen, daß wir etwas aus der Schußlinie kommen; sonst finden sie am Ende doch noch ein Loch bei uns. »Fahrer rückwärts marsch! Halt!« Da knallt es auch schon wieder bei uns; der Tiger ruckt zurück. Das war ein anderes Kaliber, das war Pak! Pulverqualm quillt durch die Luken; der Treffer kam von links. Jetzt heißt es handeln; denn schon landet der zweite Treffer zwischen Fahrer- und Funkerblende und macht unser Funker-MG unbrauchbar. Der Fahrer hat denPlatz des ausgefallenen Ladeschützen eingenommen. Nun gibt es nichts mehr zu fahren! Die linke Kette ist abgeschossen und der Tiger somit nicht mehr bewegungsfähig. Wir haben nun die Pak am Mündungsfeuer erkannt: sie steht ganz links außen an ein Gebüsch angelehnt. Der Turm wird auf 9 Uhr gedreht. Albert schnell und genau eingewiesen. Sprenggranaten ins Rohr und dann: »Feuer frei!« 3 Granaten lassen wir uns diesen Gegner kosten; dann zeugen hochwirbelnde Teile und Explosionen vom Ende dieser gut in Stellung gebrachten Pak. Das Panzergefecht geht weiter. Wir haben weder Hunger noch Durst; der Kampf nimmt uns ganz in Anspruch. Schweißtriefend, mit entzündeten Augen schnappen wir in diesem dicken Salpetergestank nach Luft; denn nach jedem Schuß der Kwk entquillt eine graublaue Wolke dem Fallkeilverschluß. — Vergeblich bemüht sich der Ventilator, seiner Bestimmung gerecht zu werden. Paul liegt mit verdrehten Augen zwischen Hermanns Beinen unten auf der Drehbühne. Noch stehen uns einige Shermans gegenüber; wir haben es verdammt nicht leicht! Während wir die Pak anrichten, nehmen uns die Shermans aufs Korn; rücken wir aber die Shermans ins Fadenkreuz, gibt es Zunder von der Panzerabwehr: es ist schon eine wahre Plage, sich mit 2 verschiedenen Gegnern gleichzeitig befassen zu müssen. 12 brennende Feindpanzer zeugen inzwischen von unserem Kampf.
Nun funkt der Kommandeur nach Empfang der Meldung betreffs der Bewegungsunfähigkeit des Tigers: »Panzer sprengen, mit Besatzung durchschlagen!« - Aber das geht auf keinen Fall. Solange wir noch eine Granate und einen Schuß MG-Munition haben, geben wir dieses Gefecht und unseren Panzer nicht auf! Wieder einmal hüllen wir uns in Schweigen und vergessen diesen Spruch zu quittieren! Helles Gelächter trotz der besch.... Lage löst der Funkspruch des Kompanietruppführers aus: »Ofenrohr 3 bitte Abschußbestätigung nicht vergessen!« Wir antworten postwendend: »Es sei uns eine Ehre, den Kompanietruppführer in unserem Panzer empfangen zu dürfen, zwecks Feststellung der erfolgten Abschüsse!« Danach hüllt sich jener in absolutes Schweigen.
Nun sind beide MG ausgefallen; die Panzergranaten gehen zu Ende.14 Shermans haben das Zeitliche gesegnet und ihren Marsch nach Berlin nordwestlich Vire an einem strahlend schönen Augusttag vorzeitig in derMittagsstunde beendet. Und das ganze dauerte nur 30 Minuten! Aber nochgeht der Kampf weiter. Wir können nun keinen Sherman mehr erkennen, der in Bewegung ist oder sich im Feuergefecht befindet; aber es waren doch 15 angreifende Shermans genau erkannt worden!? - Eine Mulde dicht vor uns, mit Bäumen und Gebüsch bestanden, verlangt erhöhte Aufmerksamkeit; mit Sprenggranaten wurde Schuß auf Schuß abgefeuert, und immer fand sich ein Ziel. Verlassene SPW und sonstige Versorgungsfahrzeugegingen in Flammen auf. In voller Fahrt befindliche Karetten, zum Teil mit aufgebauten Panzervernichtungswaffen, sogenannten Ofenrohren für die Panzernah- vernichtung, ereilte ihr Schicksal. Der ganze Hang ist von dunkelblauem Qualm überdeckt, der gnädig das vollzogene Drama einhüllt. VonZeit zu Zeit birst unter donnerndem Getöse ein Panzer mit haushoherStichflamme auseinander. Der Rauch der brennenden Fahrzeuge, der den ganzen Kampfraum überzog, ermöglicht es manchem gegnerischen Soldaten, diesem Inferno lebend zu entkommen.
Da wir nicht wußten, wie lange wir noch in unserem Panzer aushalten mußten, die Munition aber bis auf einige Granaten verschossen war, wollten wir vorsorgen und in der nun eingetretenen Kampfpause unsern Bestand etwas ergänzen. Schnell gleitet der Kommandant am Panzer herunterund kriecht und läuft, um aus der Feindsicht zu kommen. Störungsfeuer hat nun eingesetzt. Langsam schießt sich der Gegner auf unseren Standort ein, nachdem er erkannt hat, daß sein Angriff an dieser Stelle gescheitert ist.
Völlig erschöpft erreicht der Kommandant einen Tiger unserer Kompanie und macht sich an der Fahrer- und Funkerluke bemerkbar, die beide wegen ständigen Artilleriefeuers geschlossen sind. Endlich hebt sich ein Lukendeckel und der Kommandant kann seine Bitte um einige Panzergranaten vortragen, doch vergeblich! Unerklärlicherweise können wir nichts bekommen und die Luken bleiben dicht, womit jeder weitere Appell ungehört verhallt! Weiter, zum nächsten Tiger, wieder einige 100 m gerobbt, gekrochen und gesprungen! Hier war der Weg nicht vergeblich: mit einerPanzergranate im Arm kriecht der Kommandant wieder in Richtung auf seinen Panzer hinweg!
Das Artilleriefeuer nahm ständig an Stärke zu. Zu allem Unglück standen wir ungedeckt mitten auf einer Wiese und erhielten die ersten Aritreffer auf Wanne und Turm. Einem der letzten Funksprüche dieses Tages entnehmen wir, daß wir mit Einbruch der Dunkelheit durch Zug Schwab mit 3 Tigern rausgeschleppt würden. Aber bis zur Dunkelheit war noch eine lange Zeit. Zu allem übrigen fiel im ständigen Beschuß auch unser Funkgerät aus! Jabos umkreisten uns, stürzten herunter und feuerten aus allen Rohren auf unseren braven Tiger, der hier bewegungsunfähig, wie auf dem Präsentierteller stand. Ihre Bomben lagen verdammt nahe! Sollte das unser Ende sein? Aber bevor die nächste Kette anflog, hatten wir die rettende Idee: Nebelkerzen wurden auf Heck und Bug gesetzt, und wir spielten den ausgebrannten, vernichteten Panzer! Wir hatten genügend von diesen Nebelkerzen an Bord und kamen ungeschoren über die Zeit. Plötzlich aber werden wir hellwach und aus unserem Dämmerzustand herausgerissen:wir hören das vertraute Panzerkettengeklirr - aber nicht etwa hinter uns von eigenen Kameraden, sondern halbrechts vor uns, wo die Mulde in Gebüsch- und Baumgruppen ausläuft. — Wir bringen unsere Kanone langsam, kaum bemerkbar, in tiefster Stellung auf die Buschgruppe. 2 Panzergranaten sind noch vorhanden, davon eine bereits im Rohr. Unsere Nerven sind zum Zerreißen gespannt: ist es l Panzer oder sind es 2? Wir haben nur100 m zwischen uns und der Mulde. Fahrer und Funker sitzen absprungbereit an den offenen Luken; Paul, der sich wieder erholt hat, hält die zweite und letzte Granate im Arm. Wenn diese beiden fehlgehen und verschossen sind, heißt es ausbooten, so schnell man kann! Das Kettengeräusch und Brummen kommt immer näher; Sekunden werden zu Ewigkeiten! Vielleicht weiß er gar nicht, der andere, dass hier noch ein feuerbereiter deutscherPanzer steht? Längst sind unsere anderen Tiger zurückgezogen worden,und wir waren ja den ganzen Nachmittag am Qualmen. Aber nun Schluß mit den Gedanken! Vor uns teilt sich das Gebüsch; das glatte, lange Rohr ohne Mündungsbremse, zweifellos ein Sherman, wird sichtbar. Dann kommen die Rundungen der Wanne und der Turm hoch. »Schuß!« Unsere erste Granate rutscht ab; steil steigt der Leuchtsatz zum Himmel! Merkwürdig, daß man solche Kleinigkeiten in dieser knisternden Atmosphäre noch wahrnimmt! »Tiefer halten — Schuß!« — und wir brüllen laut auf; denn derLeuchtsatz unserer Panzergranate verschwand genau unter dem Rohr, also am Ansatz des Turmes. Wie von einer eisernen Faust gepackt, bleibt der Panzer mit einem Ruck stehen. Eine erst feine Rauchsäule, die immer dichter wird steigt senkrecht in die Höhe: der 15. Panzer dieses Tages. Mit dem Panzer vom Vorabend im gleichen Einsatzraum waren es genau 16, also eine ganzePanzerkompanie; nicht zu reden von den MTW, SPW, Karetten und sonstigen Fahrzeugen, die zu zählen unmöglich war. Aber werden wir trotz aller Erfolge den Gegner aufhalten können? !
Nun ist es mit einem Male ruhig. Wir sprechen kein Wort mehr. Wir sind plötzlich so unsagbar müde und warten nun nur noch auf die Tiger,die uns rausschleppen sollen.Wir empfinden es dankbar und als Schutz, dass plötzlich in den Abendstunden DO-Geräte mit unheimlichem Fauchen und Zischen eine Feuerwand in die Mulde und auf den angrenzenden Hang legen, die alles Lebendort ersticken muß.Nach genau festgelegtem Plan erscheinen, kaum dass die letzten Salven der Nebelwerfer verrauscht sind, die 3 Tiger des Zuges Schwab und schleppen uns ab. 2 Tiger werden vorgespannt; einer übernimmt die Sicherung; so rollen wir, unsere Ketten hinten nachziehend, in die dunkle Nacht. Nach kurzem Halt am Kompaniegefechtsstand, wo uns Chef Kalis zu unseremErfolg beglückwünscht, erreichen wir am nächsten Morgen Vassy. Wie aber sieht unser Tiger aus! Löcher, in die man einen Kopf legen kann! DasAntriebsrad mit Lenkgetriebe und Vorgelege ist glatt durchschossen; dasGeschoß steckt noch in der Wanne! Da wird die WK einige Tage zu schweißen und zu flicken haben! — Aber wir sind um so stolzer und enger verbunden mit unserem Panzer, je mehr Löcher und Schrammen er hat; um sokostbarer wird er uns! Er ist für uns viel mehr als nur totes Metall; er istein Teil von uns!

 

Die Schlacht von Halbe - Der Weg durch die Hölle
Ein Bericht aus den letzten Kriegstagen über das große Sterben in den märkischen Wäldern südöstlich Berlins. Von Rudolf Wüster

Schon eine Stunde lagen wir im Gras und starrten vor uns hin und in dieser ganzen Zeit redete keiner von uns nur einen einzigen Ton. Wir, das waren mein alter Kumpel Edi und ich. Kurt, der Dritte im Bunde wollte irgendwo was zu Futtern organisieren, wir hatten es nötig. Als er endlich kam, hatte er die Packtasche voll Vitaminbonbons und Trockenmarmelade, das Einzige, was in diesen verdammten Tagen noch aufzutreiben war. „Ihr macht wohl die Oberschnäpserprüfung nochmal, was?“ erkundigte er sich bissig, als er unsere ausdruckslosen Gesichter sah. Drei Stunden auf einen Fleck stieren und nichts denken. Edi blinzelte gegen die wässrige Sonne „Armleuchter, hasst Du was zu Fressen?“ Wortlos kippte Kurt die Tasche um, und teilte in drei Teile. Keiner meckerte, als das süße Zeugs zum Vorschein kam. Immer noch besser, als nichts. Wir lagen mit unserem Haufen südöstlich Königs Wusterhausen in einem ziemlich zerfetzten Wald dicht beim Forsthaus Hammer und warteten auf den Chef, der war mit seinem Kartenbrett unterwegs und wollte die Lage peilen. „Lage ist ein Witz“ brummelte Edi als der Chef abschob „da kannst Du nur noch sagen, ernst aber hoffnungslos.“ Wir alle machten uns weiß Gott nichts vor.

Seitdem der Ivan am 16. April an der Oder mit seiner Offensive loslegte, war das, was einmal die Verteidigung Berlins sein sollte, restlos im Eimer. Von Wunderwaffen zum Einsatz keine Spur, dafür zu viele Flüchtlinge in rauen Mengen, Frauen, Kinder, Greise und manchmal auch gewesene Landser und Offiziere dazwischen im abenteuerlichsten Räuberzivil. Es gab keinen Zweifel, wir hatten die Rückzugsgamaschen an. Manch einer fluchte verbissen vor sich hin, wenn er daran dachte, dass er seine Knochen umsonst Kaputtschießen ließ, aber wer damals am 28. April 1945 glaubte, er hätte das Gröbste überstanden, der irrte sich gründlich. Der Höllentanz sollte jetzt erst richtig losgehen.

Wir waren eine von den unzähligen Kampfgruppen, die schon wer weiß wie oft aus allerlei Resten zusammengewürfelt wurden. Irgendwie hatten wir drei es aber immer wieder verstanden, im allgemeinen Durcheinander doch zusammen zu bleiben und das stärkte uns das Rückgrat.

Mittlerweile trudelten die ersten Eisenbrocken vom Ivan herüber, sie lagen ziemlich dicht. Der Gefechtslärm drüben hinter dem Wald wurde deutlicher und schien näher zu kommen. Unser Spieß fing an nervös zu werden, „schafft euch alle überflüssigen Klamotten vom Hals, verbrennt den Kram oder buddelt ihn ein“, er rannte von Truppe zu Truppe und sorgte für Marscherleichterung. Sonst wusste er von dem, was dann noch werden sollte, genauso viel wie wir, nämlich einen feuchten Kehricht. Lediglich Kurt schien eine leise Ahnung zu haben, was hier eigentlich im Gange war. Er hatte vorhin auf seiner Organisierfahrt Einiges aufgeschnappt. „Ich glaube, dass es gewaltig stinkt hier in der Gegend, Jungs, und wir sitzen mittendrin in der Scheiße. Der Ivan hat uns im Norden und im Süden überrundet. Wenn mich nicht alles täuscht, sollen wir Richtung Elbe abzittern.“ Edi spuckte abfällig aus, „wenn wir mal nur nicht Richtung Sibirien getrieben werden“ unkte er. Ich tat einen Seufzer und dachte an zu Hause. Wer weiß, was uns noch blühte. Trotzdem versuchte ich, ein bisschen Stimmung zu machen „kalter Kaffee, bis jetzt haben wir uns noch überall herausgewurschtelt, warum soll’s gerade hier schief gehen, Parole: Holzauge sei wachsam.“ Aber es war mir absolut nicht wohl, bei dem, was ich da sagte. 

 

In einem böse demolierten alten Autobus war der Gefechtsstand eingerichtet. Man konnte ihn gerade so als Splitterschutz werten, denn sie hatten ihn eingebuddelt. Besonders wohl wird’s den Offizieren nicht gewesen sein, die die Generale an diesem Mittag von den umliegenden Einheiten ausgerechnet dahin befohlen hatten. Es war die reine Truppenschau, alles vertreten, der General sah von seiner Karte auf „meine Herren, wie Sie wissen, ist der Russe südlich von uns durchgebrochen und nach Norden auf Berlin abgebogen. Im Norden Berlins haben wir fast die gleiche Lage. Wir sitzen also in der Zange, ein Ausweichen ist ausgeschlossen. Es gibt nur eines, Durchbruch.“ Kurzes Gemurmel, dann wieder Stille. „Nach den letzten Funkmeldungen kämpfen die Russen im Stadtkern von Berlin“ fuhr der General mit ruhiger Stimme fort. Wir haben eine Chance, wenn wir den Durchbruch nach Westen über die märkischen Wälder versuchen, vermutlich werden wir da auf die russischen Trosse und Nachschubeinheiten stoßen. Die verbliebenen Panzer, Flakzüge und Waffen werden nach vorne gezogen und müssen den Einheiten den Weg frei kämpfen. Zwischen Tross und kämpfender Truppe der Russen muss der Vorstoß nach Westen erfolgen. Auf eine genaue Route können wir uns nach Lage der Dinge nicht festlegen. Der Durchbruch wird Opfer kosten, aber es ist anzunehmen, dass ihn auch die Truppe der Gefangenschaft in Sibirien vorzieht.“ Der General richtete sich ganz auf, „noch Fragen, meine Herren?“ verschiedene Offiziere machten Einwände, sie wurden sachlich und klar widerlegt. „Schön, ich danke Ihnen meine Herren, und Hals- und Beinbruch“. Sekundenbruchteile später wummerte eine schwere Granate unmittelbar hinter dem Omnibus in den Boden, Dreck von den Grasklumpen und eine Wagenwand samt Stabskarten wirbelte durch die Luft. Der Ivan protestierte auf seine Weise. Zum Glück hatte es niemand erwischt.

 

„Wüster, Wüster“ es war der Schreibstubenbulle, was wollte der jetzt noch von mir, „kriegst sicher Deinen Urlaubsschein“ witzelte Kurt, Edi grinste nur, ich machte mich unlustig auf den Weg. „Was ist denn los?“ Der Unterscharführer zuckte die Schultern, nichts besonderes „es ist nur wegen Deinem EK, der Alte konnte es Dir bis heute nicht persönlich anhängen, nachher wird’s wohl auch nichts mehr werden. Ich habe die Auszeichnung und die Urkunde hier in der Kiste, willst Du alles mitnehmen?“ Ein paar Monate früher hätte ich mich noch darüber gefreut, jetzt winkte ich ab, „steck Dir den Kram meinetwegen an den Hut, was soll ich jetzt damit, kann mir höchstens noch blühen, dass mich der Ivan auf die nagelneue Auszeichnung hin noch massakriert und als Zivilist nachher brauch ich’s sowieso nicht.“ Ich drehte mich um und ging weg. Er sagte nichts mehr, mir war’s auch egal, vermutlich dachte er genauso wie ich. Kurz darauf kam der Chef zurück. Sein Gesicht sprach Bände, „Spieß lass die Kompanie antreten“. Der Haufen stand aber schon beisammen, bevor noch einer den Befehl gegeben hatte. Schließlich waren wir alle gespannt, was nun kam. „Männer, zur Lage, wir sitzen in der Tinte. Natürlich wollen wir wieder raus, aber nicht Richtung Osten, da winkt Sibirien, also nach Westen und da haben wir runde 23 km durch den Russen zu kämpfen, um 21.00 Uhr geht’s los. Morgen früh müssen

wir´s geschafft haben, sonst holt uns der Teufel oder der Ivan, und das ist dasselbe. Die schweren Waffen, soweit noch vorhanden, bilden die Spitze, alle anderen Einheiten folgen aufgeschlossen. Alle Fahrzeuge bis auf ein paar werden verbrannt. Wir müssen marschieren, weil wir zum allgemeinen Transport nicht genug Sprit haben. Wer kann, soll bei anderen Einheiten aufsitzen, die noch Zugmaschinen oder Kettenfahrzeuge samt Sprit haben, das wär’s. Morgen um die Zeit wissen wir mehr. Wegtreten“. Das war kurz, sachlich und verdammt deutlich und ganz ohne Kommißton. Wozu auch, wir saßen alle in demselben Boot. Bald darauf verbrannten die Kraftfahrer ihre Benzinschlitten. Was bei uns an Schuhen, Wäsche und Uniformteilen übrig war, flog in die brennenden Fahrzeuge. Gegen Abend begann sich dann endlich der zusammengewürfelte Stoßtrupp zu formieren. Unsere paar Panzer brummten nach vorn. Der Spieß schickte ein paar Zivilisten auf den Verpflegungswagen mit der letzten Fourage. Die Leute wollten auch nach Westen. Wir konnten sie begreifen, es kamen unterwegs immer noch andere dazu. Für alte Frontschweine, wie wir sie nun mal waren, ein komisches Gefühl, mit zu vielem Anhang einen Durchbruch zu versuchen.

 

Edis Wagen trug die Nummer 15, bisher war er Cheffahrer. Jetzt fuhr er Oberscharführer Pott, den Kompanietruppenführer, klar das wir trotzdem beieinander blieben. Auf den Trittbrettern fanden wir gerade so mit einem Knobelbecher Platz, immerhin besser schlecht gefahren, als gut gelaufen. Edi hatte seine liebe Not, bis er den Wagen und die nachfolgenden Kumpels in die anderen Einheiten hineinbugsiert hatte. Zeitweilig standen wir stundenlang auf einem Fleck und hatten dies blödsinnige Kribbeln im Kreuz, das sich in solchen Lagen immer wieder meldet. Es war mittlerweile zappenduster geworden. Granaten orgelten durch die Gegend, nicht allzuweit knatterte Gewehrfeuer. Wir lagen noch ziemlich weit hinten. Man hätte am liebsten mit dem Knüppel dreingeschlagen, damit es endlich vorwärts ging, ein scheußliches Gefühl, wenn man wartet und weiß nicht worauf. Das nächste Ziel sollte Halbe sein, aber davon waren wir noch ein tüchtiges Ende entfernt. Langsam erreichten uns die schweren Sachen, wir zogen die Köpfe ein, es ging los. Wo der Ivan eigentlich steckte, wusste niemand zu sagen, sehen konnte man nichts. Offensichtlich steckten wir mitten drin, Einschläge auf allen Seiten. Verdammt und zugenäht, das waren wahrscheinlich 20 auf einmal oder noch mehr, Stalinorgeln, kopfüber klatschte ich mich in den Dreck unter den Wagen, als ich wieder vorkrabbelte saß Pott immer noch ungerührt im Wagen. Na ja, wie sollte er auch so schnell rauskommen, hinter uns Stöhnen und Wimmern dazwischen hohe spitze Schreie, Frauen oder Kinder, wir bissen die Zähne aufeinander in Gedanken an den blutigen Wahnsinn ihres sinnlosen Sterbens, tot machten sie die Fahrt weiter mit. Es war keine Zeit, jetzt Gräber zu graben. Das Leben ging für die anderen weiter, vorläufig wenigstens. Ein paar hundert Meter weiter, ließ der Fahrer den Verpflegungswagen stehen, er kam nicht mehr vorwärts in dem Wirrwarr, das nun ausbrach. Kurt und ich stiegen ab und trabten neben dem schrittweise vorwärtsschleichenden Wagen her. Man war auf diese Art schneller mit der Schnauze im Dreck, wenn die Luft vorübergehend zu eisenhaltig wurde. Eben ging der Mond auf, ich sah hinter uns eine Selbstfahrlafette mit Vierlingsflak, ein beruhigendes Gefühl, das Ding in der Nähe zu wissen.

 

Plötzlich tauchten von links dunkle Gestalten auf, der Ivan, jemand brüllte es hinter mir, „nix wie runter mit der Rübe in den Matsch“ rief Kurt, schon lagen wir im Graben und dann war für Minuten die Hölle los. Die Vierlingsflak hinter uns bellte, Edi gesellte sich zu uns, ziemlich plötzlich, denn der stolperte über einen Toten. „Da bleibt kein Auge trocken“ brüllte er durch den Lärm. Dann plötzlich war es still, wie abgeschnitten, ein einzelner Soldat stolperte von links mit hoch erhobenen Händen über den Sturzacker heran, „aufhören“ schrie er wie von Sinnen „aufhören ihr gottverdammten Idioten, könnt ihr deutsche Landser nicht mehr vom Ivan unterscheiden? Unser ganzer Haufen ist in Klump geschossen, blödsinnige Narren, die Ihr seid.“ Für einen Moment sagte niemand ein Wort, das war zu ungeheuerlich, als dass man mit einem gleichgültigen Satz hätte darüber hinweggehen können. „Sammelt wenigstens die Verwundeten auf, oder schickt die Sanitäter, damit sie die Russen nicht fertigmachen“, rief der Landser jetzt. Aber schon ging es weiter. Hilflos blieb der Soldat in berstenden und heulenden Granaten am Weg stehen. In den nächsten Minuten redete keiner ein Wort, Krieg ist grausam, die große Masse kommt zuerst, dann erst der Einzelne.

 

In Halbe war der Teufel los. In der engen Dorfstraße stießen und schoben sich tausende von Landsern voran, wer fiel wurde ohne Rettung zertrampelt. Ich hatte Kurt und den Wagen vorübergehend verloren, mittendrin in dem wüsten Haufen steckend, presste es mir förmlich die Luft aus dem Körper, mir wurde mulmig. Mit letzter Kraft sprang ich an einem Fenstersims hoch und zog mich im Klimmzug rauf, gottlob, wenigstens wieder Luft.

 

Auf Umwegen trabte ich zum Ortsausgang, tatsächlich erwischte ich irgendwo Kurt und Edi mit dem Wagen, sie hatten inzwischen zwei Verwundete eingeladen. Einer hatte einen Lungenschuss, armer Hund, diese Art von Transport war für ihn bestimmt kein Zuckerlecken. Im langsam aufkommenden Morgengrauen wälzte sich der Heerwurm in einen Wald, der steckte voller Russen, immer wieder versuchten sie uns den Weg zu verlegen. Die Panzer hatten die erste Welle niedergekämpft und waren weit voraus, keine schweren Waffen, keine Führung, ein heilloses Durcheinander und irgendwo tauchte ein Unterscharführer auf, er trug einen blutigen Fetzen um den Kopf gewickelt und prügelte mit einem Knüppel auf zurückweichende Landser ein „wollt ihr wohl ran an den Ivan, ihr feigen Hunde, putzt die Scharfschützen aus den Bäumen, sonst verröcheln wir hier doch alle miteinander, vorwärts oder ich mach euch Beine“. Weiß der Teufel, sie machten vor dem Knüppel kehrt und griffen wieder an. Wir drei klemmten uns die Waffen unter den Arm und machten gleich mit. Schon nach den ersten Schritten bekamen wir ein wahrhaft höllisches Granatwerferfeuer, rings um fielen sie wie die Fliegen, mit den Händen buddelten wir Deckungslöcher. Nackte Todesangst hatte jedes Denken ausgelöscht, wir handelten nur noch mechanisch, ab und zu purzelte drüben einer der Scharfschützen aus den Bäumen, bei einem neuen Vorstoß wurde ich einfach mit vorgerissen und fand mich plötzlich neben völlig fremden Landsern. Hinter einem dicken Baum hielt ich nach Kurt und Edi Ausschau, nichts, eben wollte ich mich abwenden, da brauste Edi mit einem Affenzahn auf seinem Wagen heran, er holperte nur so über die Waldwurzeln hinweg, er sah mich aber nicht, eh ich etwas sagen oder brüllen konnte, war der Wagen mit Gestank verschwunden, verdammt, dachte ich, jetzt kannst du auch noch marschieren. Mittlerweile war das Vorfeld freigeworden, ich raffte mich auf und latschte los, immer den Gefallenen nach, sie waren die besten Wegweiser. Irgendwo traf ich auf Kurt, der auch den Anschluss verpasst hatte, von dem Augenblick an, war uns beiden etwas wohler.

 

„Wir müssen sehen, dass wir auf die Autobahn kommen“, meinte Kurt schließlich. Ein Landser, der sich hier auskannte, machte den Führer. An der Rollbahn sah es verdammt mulmig aus, der Betonstreifen lag voller Leichen, scheinbar hatte es von beiden Seiten Zunder gegeben. Wer läuft zuerst, ich schob mich wortlos nach vorne und wetzte über die Fahrbahn, dass es nur so rauchte, erst als wir alle drei drüben waren, ratterten die MGs los. Weiter ging es durch den Wald, immer an Leichen vorbei. In einem Wagen verblutete ein erschossener Zahlmeister auf einer unübersehbaren Menge von Hundertmarkscheinen. Wir rafften zusammen, was sauber war, vielleicht konnten wir die Lappen noch einmal gebrauchen und wenn auch nur für hinterlistige Zwecke. In einer Schrebergartenkolonie stand Edi mit seinem Wagen am Wege und murkste fluchend unter der Motorhaube herum. Oberscharführer Pott hatte es inzwischen erwischt. In dem Wäldchen, wo es vorhin den tödlichen Zunder gab, war er als Kommandant auf einen Wehrmachtspanther gewechselt. Als er den Kopf aus der Luke steckte, erwischte ihn ein Baumschütze mit einer MG-Garbe. Hier ist schon seit zwei Tagen der Ivan, wusste Edi zu erzählen, als er fertig war. Ich habe mit dem alten Mann gesprochen, sie haben mir bisher nichts getan. Kurt nickte, mag sein, aber ich glaube, wir drei machen uns besser auf die Socken, nix wie weg. Im Wagen vorn saß jetzt eine Frau, die man kaum noch als weibliches Wesen erkennen konnte, das ganze Gesicht war durch Verbrennungen aufgedunsen, vor zwei Tagen war sie noch ein schönes Mädchen mit glatter Haut und lächelnden Lippen. Bei ihrer Flucht aus Ostpreußen war sie hier bis Berlin gekommen und mit einem Panzer mitgefahren, als er in Brand geriet, wollte sie die Besatzung unter Einsatz des eigenen Lebens retten, aber da ging die Munition in die Luft. Ein Traum von Jugend war ausgeträumt. Hoffentlich würde sie wenigstens ihr Leben aus dieser Hölle retten können. Das arme Ding. Wir fuhren weiter, dicht hinter uns ein Panzerspähwagen. Kurt deutete auf eine verlassene russische Feldküche am Wege „Stop mal Edi“ da gibt’s was zu präpeln. Er wieselte achtlos an einem wie verloren dastehenden General vorbei und kam mit drei riesigen Schinken wieder. Der Hauptmann vom Panzerspähwagen hinter uns machte sich auch auf den Weg, da hielt ihn der General an „Entschuldigen sie, Herr Kamerad, wäre es wohl möglich, dass sie mich in ihrem Wagen mitnehmen könnten, ich bin nur ein alter Mann und ich werde mich auch nur ganz klein machen, damit ich nicht im Wege bin“ wir sahen uns sprachlos an, der musste zu der kleinen Gruppe Generalstäbler drüben gehören und versuchte wohl auf eigene Faust weiter zu kommen. Sachen gab’s in diesen Tagen, Junge, Junge. Edi warf den Motor an, weiter ging’s. Es war nichts schönes, was dann kam, die Russen passten auf, wie die Wachhunde, wenn sich unsere Kühlerschnauze nur an die nächste Lichtung schob, waren die Bomber da und rotzten uns den Laden voll. Legten ihre stählernen Eier und waren wieder wie ein Spuk verschwunden. Verdammte Bande, schimpfte Kurt, der dabei vom Trittbrett gefallen war. Aber zielen und treffen ist bei denen zweierlei. Weiter geht’s. Krichel, der Kumpel mit dem Lungenschuss rührte sich kaum, die holprige Fahrt setzte ihm schwer zu. Die Blutungen wurden von mal zu mal stärker, ab und zu lasen wir einen auf, die ein paar Kilometer auf dem Trittbrett mitfuhren, sie waren es alle bald Leid, geschwächt, nichts im Magen und mutlos waren sie zu nichts mehr zu gebrauchen. Wir verteilten von unserem Schinken und begannen übrigens langsam und langsam abzustumpfen, kein Wunder. Vorne knallte es plötzlich stärker, schwere Brocken rauschten wieder um die Ohren, raus aus Kiste und ran, knurrte Edi Woll „immer diese Verkehrsstockungen“ wir lachten nicht mal, Knarre raus und geschossen, eine Frau, die sich wer weiß wo und für den Ernstfall eine Pistole ergattert hatte, redete

auf einen Soldaten ein, er trug eine Uniform aus Extratuch und ohne Rangabzeichen. Sichtlich ein Offizier, der sich selbst degradiert hatte. Kommen sie doch nach vorne, die Soldaten sind doch führerlos und sie sind doch Offizier, er schüttelte finster den Kopf „nein, ich bin kein Offizier, sie irren sich“ dabei blickte er sich vorsichtig nach allen Seiten um, offensichtlich einer von der Sorte, die ihr armseliges Leben um jeden Preis retten wollten. Die Frau wandte sich verächtlich ab. Wie gerufen, rauschte ein Kübelwagen heran, auf dem Trittbrett stand in voller Montur unser Kuhnke. Im Augenblick kam Schwung in die Sache. 20 Minuten später war der Weg frei, aber um welchen Preis. Wieder türmten sich Tote und Verwundete, ich sah einen Landser am Wege, dem ein Geschoss den Bauch aufgerissen hatte, bei vollem Bewusstsein drückte er mit beiden Händen die Därme zurück und flehte einen Kameraden um den Gnadenschuss an. „Ich will mir nicht von den Russen den Hals abschneiden lassen, komm, tus doch, lass mich hier doch nicht so verrecken.“ Der andere schüttelte krampfhaft den Kopf. Mit rauer Zärtlichkeit fuhr seine Hand dem Kameraden über die Haare, „ich kann’s nicht Kumpel, ich kann’s wahrhaftig nicht, komm, ich leg dir was unter den Kopf damit du besser liegst, da meine Feldflasche lasse ich dir da, aber nicht trinken, nur die Lippen nass machen, ich Herr Gott im Himmel, ich kann dir doch nur die Hand geben und wünschen, dass du Glück hast. Es haben schon so viele tausende einen Bauchschuss überlebt“, bei den letzten Worten schossen dem Stehenden die Tränen in die Augen, er wusste, es war eine barmherzige Lüge. Mit einem stillen Händedruck nahm er Abschied von dem Freund, der ihn mit hoffnungslosen Augen und doch ergeben nachsah. Drama am Wege, vorbei. Und schon wieder ein neuer Eindruck. Ein Hauptmann wollte mit gezogener Pistole uns das Weiterfahren verbieten, weil wir aus der Kolonne heraus an einen Bach gefahren waren, um dem Verwundeten hinten im Ladekasten zu Trinken zu geben und auch selbst zu trinken. Kurt Humhal sprang vom Trittbrett, er nahm das MG 42 vom Kotflügel hielt es dem Hauptmann vor den Bauch und sagte ihm in österreichischem Dialekt „geh weg du Hund, ich erschieß di“ in dieser Zeit ließ sich kein überflüssiger Kadavergehorsam erzwingen, der Hauptmann verschwand. Unser Weg war eine Straße des Grauens, geschändete und erschossene Frauen und Mädchen, von russischen Panzern förmlich in den Erdboden hineingewalzte Hitlerjungen, Landser, Kleinkinder. Ein grauenhafter Wegweiser war an einem Baum mit großen Nägeln angebracht, ein abgehackter Soldatenarm, noch im Ärmel, mit dem Armstreifen Frundsberg, man hatte ihm einem Angehörigen der Division Frundsberg abgeschlagen, grauenvoll. Und dieser Arm zeigte genau die Richtung an, die wir marschieren mussten, uns war alles andere als wohl zumute. Aber wir mussten weiter. Langsam brach die Nacht herein, die zweite Nacht in diesem verteufelten Kessel und noch kein Ende abzusehen. Edi schimpfte am Steuer wie ein Rohrspatz „wenn wir hier jemals rauskommen, dann rühr ich mein Leben lang keine Flinte mehr an, darauf kannst du Gift nehmen“. Wenn wir ab und zu halten mussten, hörten wir die neuesten Latrinenparolen, es sind Truppen von der Seydlitzarmee unter uns, sie sollen Unruhe stiften, da knallte es wieder, schon rissen die verstörten Landser ihre Knarren hoch und ballerten wie wild in die Gegend. Meist war es weiter nichts, als das einer nervös geworden war und auf Schreckgespenster schoss. In dem Durcheinander, was dann entstand, legte der Freund den Freund um, es war zum verrückt werden, die Straßen und die Gräben lagen voller Sterbender und Toter, fast bei jedem Schritt der genagelten Stiefel trat man auf etwas Weiches, man wusste in der Dunkelheit nicht, ob der, der unten war, tot war oder noch lebte, alte Kameraden hielten sich dicht beieinander, sie wollten nicht Gefahr laufen, zwischen Seydlitzleute zu geraten. Wer sich nicht ausweisen konnte, war fällig. Bestimmt ist mancher Unschuldige dieser Psychose zum Opfer gefallen, aber diese berüchtigten Strecke Zossen-Baruth mussten vor uns schon Tausenden verblutet sein, da nahmen die aufgebrachten Landser keine Rücksicht mehr. Edi trat auf die Bremse „was ist denn los, was ist denn hier schon wieder los?“ „weiß ich nicht“ knurrte er und stieg aus, ein wüstes Knäuel Landser tobte auf der Kreuzung rum. Gereckte Arme, Schimpfworte, klirrende Wut, „was ist denn hier passiert?“ erkundigte ich mich „der Kerl da vorne, der hat laut geschrieen wir hätten den Krieg verloren, so lange bis wir es ihm gegeben haben, wahrscheinlich auch einer von der Seydlitzbande“. Sie hatten ihn förmlich zu Tode gesteinigt, er rührte sich nicht mehr. Ich schüttelte den Kopf und begriff überhaupt nichts mehr, an dem, was dieser Mann gesagt hatte, war absolut nicht zu zweifeln und dennoch hatte er sein Leben verspielt. Die innerlich kochende und brodelnde Menge der Landser, sie wollten es einfach nicht wissen, dass all die Qualen und Opfer der Jahre umsonst gewesen waren, all die grenzenlose Selbstaufgabe umsonst, stumm und erschüttert fuhren wir in den langsam aufziehenden Morgen hinein. Irgendwo unterwegs knallten wir uns eine Viertelstunde ins Gras. Es war nun schon die zweite Nacht ohne Schlaf, aber eben nur diese knappe Viertelstunde konnten wir uns leisten, der Ivan saß uns dicht auf den Fersen. Um 5.00 Uhr früh durchfuhren wir den gesprengten Schießplatz Kummersdorf. Zwischen einem Berg Gefallener lag ein Leutnant mit einem prächtigen Fernglas, „du Edi, halt mal eben, das Glas ist zu schade für den Ivan“ ich ging ran und wollte ihm den Riemen über den Kopf ziehen, doch da fuhr er hoch, „verrückt geworden, was, hau bloß ab, nicht mal in Ruhe pennen kann man hier für fünf Minuten“, Nerven hatte er ja, der Herr Leutnant, immerhin hatte ich es ziemlich eilig die Kurve zu kratzen. Kurz vor dem Weiterfahren, sah ich noch manchmal zu Krichel hinein zum Kumpel mit dem Lungenschuss, er war hinübergegangen. Erst als wir die Schießbahn überquert hatten, konnten wir ihn notdürftig einbuddeln und selbst dabei, zischten uns noch die Ratas ihre Garben um die Ohren. Ein alter Mann von der OT stand am Wege, er war verwundet und wollte mitgenommen sein, „tut mir Leid, Vatter, sagte Edi bedauernd, wir haben nicht einen Millimeter Platz, eben haben wir einen Begraben und dafür haben wir schon wieder zwei Neue drauf.“ Der Alte, er mochte wohl bald an die siebzig sein, schluchzte trocken auf, nehmt mich doch mit, ich bin in Berlin ein reicher Mann und schenk Dir ein ganzes Haus, ganz bestimmt.“ Kurt tat der Alte Leid, er reichte ihm seine letzten Zigaretten und die Feldflasche „da nimm Vatter, wir können doch nicht die anderen Verwundeten vom Wagen schmeißen, guck mal das dich einer von den Sankas mitnimmt, die hinter uns kommen. Edi gab Gas, einsam und verzweifelt blieb der alte Mann zurück. Ganz dicht in der Nähe saßen drei Kinder um die tote Mutter herum und weinten sich ihr Leid und ihre Ratlosigkeit vom Herzen, was war das für eine grauenhaftes Wirken, war das noch Krieg? Ein wahlloses Kämpfen des Schicksals gegen Greise und Mütter. Irgendwo oberhalb von einem Dorf blieb unsere Karre im Sumpf stecken, jetzt war guter Rat teuer, der Schlitten sackte immer tiefer. Sollten wir soweit gekommen sein, um jetzt noch dem Ivan in die Hände zu fallen. Die leichter Verwundeten, die noch halbwegs laufen konnten, machten sich schon ganz von selbst auf die Socken, sie sahen die unausweichliche Schlussfolgerung kommen und eh sie hier hilflos auf das Ende warten, wollten sie lieber so weit kriechen, wie es eben ging. Einige gaben in einen vorübergehenden Sanka ab, es blieben noch zwei übrig, das Mädchen aus dem Panzer und ein Kamerad mit einem Oberschenkelschuss, was sollten wir mit ihnen tun? Tragen war unmöglich, warten war aber genauso unmöglich, wenn nicht in letzter Minute auch wir vor die Hunde gehen sollten. Es wäre also nichts anders übrig geblieben, als mit den beiden zusammen die Russen zu erwarten oder die beiden im Stich zu lassen. Wer will es wem vorwerfen, wenn wir uns hart machten und davon gingen. Das Mädchen mit seiner Gesichtsverletzung und dem Hüftschuss trug es mit Fassung, der Landser schimpfte hinter uns her, aber wir konnten es ihm nicht verdenken, es ging nicht anders, im Tal war schon wieder der Teufel los, es wurde um jeden Meter gekämpft. „Das sieht verdammt beschissen aus da unten“ meinte Edi, am besten gehen wir diesen Weg hoch und dann oben über die Funkstation. Es war die frühere Station des OKH. Kettenspuren der Königstiger zeigten uns, dass wir wieder die richtige Fährte gefunden hatten. Auf Schleichwegen erreichten wir schließlich das nächste Dorf. Immer auf der Hut vor dem Ivan. Kurz vor dem Dorfeingang erhielten wir Werferfeuer und nicht zu knapp. Blöde Hunde, die haben wohl zu viel Munition. Wir schickten ein paar Garben aus der Maschinenpistole hinüber und machten uns zum Dorf hin dünne. Es war auf beiden Seiten nur Munitionsverschwendung. Bei den ersten Häusern fanden wir zwei Mädchen, niedliche Dingelchen, nett und sauber, nanu, war denn der Ivan noch nicht hier? Fragte Edi verdutzt. Die Mädchen lachten, „doch, schon vor zwei Tagen“, „na und ?“ „uns haben sie nichts getan“, sagten die beiden. Wir guckten ziemlich dumm aus der Halsbinde, scheinbar macht der Ivan hier und da Unterschiede in der Menschen- und Mädchenbehandlung. Als die Panzer vorhin hier durchkamen, sind die Russen abgehauen, erklärte die eine, aber die kommen sicher wieder. Das war ein typischer Fall von Übereinstimmung der Meinung und darum sahen wir zu, das wir weiter kamen. Außerhalb des Dorfes, sahen wir endlich zum ersten mal wieder einen Panzer unserer Einheit in einer Schneise stehen. „Sieht bald so aus, als ob wir den verdammten Kessel hinter uns hätten“ meinte Kurt „kann sein, dass du Recht hast, aber es kann genauso gut sein, dass uns hier noch der Heldenklau erwischt, der kleine Trupp da hinten, sieht mir gerade so aus. An einem Baum bammelte ein Schild, siehe da, es enthielt den Decknamen unserer Kompanie mit dem kurzen Bescheid „Richtung Elbe sammeln“. Wir schüttelten die Köpfe, „das soll doch wohl ein Witz sein“ ließ sich Edi schließlich vernehmen „was gibt’s denn hier noch zu sammeln?“ Vorerst hatten wir verschiedentlich gehört, der Krieg wäre aus. Die anderen Einheiten ringsum brachen auch schon ihre Zelte ab und verblühten Richtung Elbe. Na ja wir würden ja sehen. Gegen Abend landeten wir schließlich in der Ortschaft Belzig. Kurt gähnte bis hinter beide Ohren „jetzt bin ich’s aber satt Kinder, heute Nacht wird erst mal gepennt. Der Ivan kann mich mal kreuzweise.“ Das war uns zwar auch aus der Seele gesprochen, aber doch verdammt gefährlich. Schließlich kamen wir in einem Siedlungshäuschen auf dem Teppich unter, ich für meinen Teil fiel um wie ein Bleistift und war gleich weg, den anderen beiden ging’s genauso. Wir wollten nur zwei oder drei Stunden schlafen, aber die Frau des Hauses in ihrem Mitgefühl hätte uns bald eine böse Suppe eingebrockt. Sie ließ uns bis zum morgen schlafen. Wir fuhren hoch wie ein Mann als sie sagte „hallo Landser, Soldaten, ich glaub ihr müsst euch auf den Weg machen, der Bürgermeister bereitet schon alles für die Übergabe vor, die Russen sind höchstens noch fünf Kilometer weit. Es waren keine Segenssprüche die wir vor uns hinsagten, als wir in fliegender Hast unsere steifen Knochen sammelten und wie die wilde Jagd dieses mehr als gastliche Haus verließen. Der ganze schöne Vorsprung, den wir uns mühselig genug geschafft hatten, war beim Teufel. Wenn wir jetzt nicht ganz großes Glück hatten, holten wir das nie wieder auf. Zu allem Überfluss bekam Kurt Ärger mit der Verdauung. Es war wohl die viele Trockenmarmelade, notgedrungen warteten wir immer ziemlich nervös bis er wieder pustend und fluchend aus dem Graben kletterte. Am Ortsausgang sahen wir die ersten deutschen Landser. Wir hatten schon gedacht, die Letzten zu sein. Halt verdammt, rief ich plötzlich die beiden zurück, das hatte uns gerade noch gefehlt, Obersturmführer Schienhofen von der Dritten, Kurt steuerte den nächsten Torbogen an, los verschwinden, der will uns bloß einsammeln, Edi zog das Tor zu, dann warteten wir ziemlich unruhig, ob er wohl vorbeiging, aber schon knatterte der schwere Holzflügel auf, der Obersturmführer stand in voller Kriegsbemalung vor uns, na wo wollt ihr drei denn hin, wir stotterten eine Weile wirres Zeug dann sagte ich offen gesagt Obersturmführer das wissen wir selber noch nicht, was wird denn hier gespielt. Sammeln, er tippte mit einem Finger an die Stirn „wohl verrückt geworden, es hat sich ausgesammelt, der Ivan will uns grad hier nen neuen Kessel schließen. Wird Zeit das wir hier raus kommen, kommt mal raus und hockt beim Kommandeur auf, der kommt gleich mit nem Schützenpanzerwagen durch und nimmt mit, was drauf geht. Uns fiel ein Stein vom Herzen, Minuten später hatten wir wieder einen fahrbaren Untersatz unter dem Hintern und rollten weiter Richtung Elbe. Unterwegs überall aufbrechende Einheiten. Größenteils frisch eingezogene Reservisten, die noch kein Pulver gerochen hatten und schon wieder türmen mussten, ein Glück für sie, denn sie waren noch nicht übungsweise ausgebildet. In einer der nächsten Ortschaften machten wir schließlich wieder Halt, der Kommandeur wollte noch ein paar Leute von unserem Haufen aufnehmen und außerdem eine kleine Pause einnehmen. Wir stiegen durchs Gelände und peilten die Lage, ich entdeckte einen Adler-Sportwagen, „Du“ sagte ich zu Edi, „das wär ein Ding“ und stieß Edi in die Rippen, „den sollten wir mopsen, damit kämen wir besser bis zur Elbe, als mit den überfüllten Panzerwagen vom Alten, na kurz wegschieben, Zündung kurzschließen und ab“, so verrückt und verwegen der Gedanke war, wir taten es. Natürlich hatten sie uns spitz bevor wir noch damit fort waren. In der einsetzenden Dunkelheit spritzten wir rechts und links über Hecken und Zäune und ließen die herankommenden Nagelstiefel vorübertrapsen. Es waren ein Oberleutnant und ein Feldwebel, wenn wir die Kerle erwischen, lege ich sie um, verschwor sich der Offizier. Er war im Recht. Verdammt noch eins, ich verfluchte meinen blödsinnigen Einfall. Es hing wahrhaftig nur an einem Haar und sie hätten uns erwischt. Ein paar Mal fuhr der Schein seiner Taschenlampe über uns hinweg, dann verschwanden sie schimpfend und holten ein paar Leute um den Wagen wieder abzuschieben. Aufatmend machten wir uns davon, das war nochmal gutgegangen. Eine knappe Stunde später kam eine von unseren Zugmaschinen an, sie hatten das Mädchen  und den Landser bei sich, die wir in unserem im Sumpf steckengebliebenen Wagen zurückgelassen hatten. Jetzt war uns entschieden wohler. Wir hatten doch sehr an die beiden denken müssen. In der Nacht ging es weiter, der Kommandeur war vorausgefahren und wollte irgendwo an der Elbe versuchen, die ganze Einheit geschlossen in amerikanische Gefangenschaft zu führen, irgendwo gabelten wir noch einen Oberleutnant mit seiner jungen Frau auf, die hatten schreckliches hinter sich, in dem gleichen Kessel, aus dem wir eben entwichen waren, starb ihnen unterwegs das vier Wochen alte Baby an Entkräftung und auf dem Arm das dreijährige Söhnchen an ihrer Hand, das erschossen worden war, Lungenschuss.

 

Dann lag plötzlich und unerwartet die Elbe vor uns. Es war ruhig rechts und links keine Kampfhandlungen mehr. Auf der Westseite standen abwartend die Amerikaner. Ab und zu kamen sie mit Sturmbooten herüber und nahmen ein paar Landser mit in die Gefangenschaft. Brücken existierten nicht mehr. Es warteten Tausende an unserem Ufer, aber der Ami dachte nicht daran, sie alle mit nach drüben zu schaffen. Die Verhandlungsversuche unseres Kommandeurs mit einem amerikanischen Offizier verliefen völlig fruchtlos, da wandte er sich an uns restliche 35 Männchen, die wir von fast 400 übrig geblieben waren und sagte „Männer, wir haben unsere Pflicht getan, Waffen haben wir nun keine mehr, jeder muss zusehen, wie er über die Elbe kommt, ich danke euch für alles geleistete und Eure Kameradschaft“. Er verabschiedete sich von jedem durch Handschlag und dann gingen wir auseinander. Wir Drei beratschlagten, was zu tun war. Hier in Fischbeck, da sind wir doch am Arsch der Welt, da setzt uns doch kein Aas über, meinte Edi. Also weiter auf Burg zu, am Weg erwischten wir einen Lkw und Edi drückte den Pin fast bis zum Bodenbelag durch, denn jemand hatte russische Panzerspähwagen gemeldet. Kurt hatte natürlich wieder was zu Fressen organisiert. Wir schlugen uns also unterwegs den Bauch voll Schweinefleisch, es bekam uns nachher genauso schlecht, wie die Trockenmarmelade. Aber im Augenblick bekümmerte uns das nicht. Wir rasten mit einem Affenzahn die Elbe entlang und suchten nach einem Loch, in dieser mörderischen Mausefalle. Überall standen wartende Heerscharen von Landsern, die den gleichen Wunsch wie wir hatten, und die Amis wegen ihrer geschlossenen Sturheit so verfluchten wie wir. Aber es war so gut wie keine Hoffnung nach drüben zu kommen. Viele gerieten dem Ivan noch hier in die Hände, manche schwammen hinüber, viele ertranken dabei und die am anderen Ufer, sie sahen tatenlos zu. Niemand wollte dem Russen in die Finger fallen. Vielleicht wäre ich auch geschwommen, aber erstens ich konnte es nicht und zweitens hatte ich das Gefühl, als ob die Amerikaner vielleicht es fertiggebracht hätten, uns mitten im Strom abzuschießen wie die Wildenten. Verdammt, ich glaube es war alles umsonst, der Durchbruch war für die Katz“ sagte Kurt verzweifelt. Man hörte schon das Brummen der russischen T34 aus der Ferne. Es konnte sich um Minuten handeln, dann waren sie über uns. Dann winkte Sibirien und die Knute. Hilflos wie Kinder kamen wir uns vor, einem scheußlichen Schicksal auf Gedeih und Verderb ausgeliefert. Jetzt, in aller letzter Minute gab es keine Aussicht auf endgültige Rettung mehr, jetzt wo wir alles, das Schwerste, das Gröbste, das Blut und den Dreck hinter uns hatten, es war zum Verzweifeln. Edi sah sich überall nach einer weggeworfenen Pistole um „lebend bekommen die mich nicht“. Kurt biss sich auf die Lippen, vielleicht dachte er auch an zu Hause, vielleicht auch an sonst was. Jedenfalls entdeckte ich es zuerst, „da Jungs, ein Sturmboot kommt auf uns zu“ in unserer Nähe standen ein paar Landser mit behelfsmäßigen Krücken, die wollten sie wohl rüberholen, schon von weitem hörten wir „nur für Verwundete“, das Boot mit den paar Mann war noch nicht voll, auf einmal humpelten wir alle Drei eigentlich hatten wir nur Blasen an den Füßen, aber auf diese Weise kamen wir mit hinein. Als die ersten Panzer auf die Uferstraße rollten, stieß unser Sturmboot von einem zähneblitzenden baumlangen Neger gesteuert gerade vom Ufer ab, es war am 02. Mai 1945 bei Rogetz an der Elbe. Wir hatten eine Hölle von Blut und Tränen hinter uns gelassen und waren einem Leben wiedergegeben, von dem wir noch nicht wussten, was es uns bringen würde.

 Ende



wird fortgesetzt

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